Vom Affen zur Automation... Aufwände reduzieren mit Bots
- Christoph Sander
- 25. Feb. 2020
- 4 Min. Lesezeit

Spätestens seit den Simpsons und der drehbuchschreibenden Affen-Armee von Monty Burns sollte den meisten Lesern das folgende Theorem wenn auch nicht namentlich so zumindest inhaltlich bekannt sein. Gemeint ist das sogenannte Infinite-Monkey-Theorem, das es in 2 Interpretationen gibt:
Lässt man einen Affen unendlich lang zufällig Buchstaben auf einer Schreibmaschine drücken, wird ein Teilergebnis der Zeichenfolge irgendwann eine identische Replik der Shakespeare-Werke sein
Lässt man unendlich viele Affen zur gleichen Zeit zufällige Buchstaben auf Schreibmaschinen tippen, wird mindestens einer der Affen auf Anhieb eine identische Replik der Shakespeare-Werke produzieren
Jeder mit ein bisschen Grundwissen in Stochastik erkennt, dass diese Aussagen mit Sicherheit zutreffen. Aber was hat das Ganze jetzt mit Automation zu tun?
Was der Affe kann, kann ein Bot schon lange...
2011 stellte sich der amerikanische Programmierer Jesse Anderson der Herausforderung und programmierte einen Bot, der diese Affenarbeit imitierte. Er ließ eine Million Kopien dieses Bots gleichzeitig auf seinem Heimrechner laufen und nach 46 Tagen hatten sie Shakespeare rezitiert. Zugegebener Maßen hat Anderson die Spielregeln leicht angepasst, in dem er nicht die komplette Arbeit der Bots kontrollierte sondern jeweils 9-Buchstaben-Sequenzen, aber das ist auch nicht das Interessante.
Denn seine automatisierten Affen-Bots hatten in den 46 Tagen rund 67 Billiarden Zeichen produziert. Schreiben wir einem realen Affen einmal zu, dass er mit dem aktuellen, menschlichen Weltrekord von 750 Anschlägen pro Minute mithalten kann, dann hätte dieser Affe unabhängig vom Ergebnis nur für das Eintippen der Zeichen 171.000.000 Jahre benötigt. Eine Million Affen entsprechend rund 171 Jahre mit 24/7 Akkordtippen.
Ungeachtet der Unmöglichkeit auch nur einen Affen über einen solchen Zeitraum pausenlos das Gleiche tun zu lassen und ignorieren wir nebenbei die Lebensspanne, zeigt sich an diesem einfachen Beispiel die wahre Macht von Automation. Und genau hier kommt Robotic Process Automation oder kurz RPA ins Spiel.
Was ist RPA und wie kann sie eingesetzt werden?
Stellt euch vor, ihr habt die Aufgabe, zu einer in Excel gespeicherten Liste von Kunden Informationen aus einer anderen Excel-Tabelle mit sehr viel mehr Kunden und sehr viel mehr Informationen zu kopieren. Denkbar ist hier ein Fall wie die Adresserfassung für manuell aufgesetzte Serienbriefe an ausgewählte Kunden oder Dienstleister. Ihr wiederholt dabei sehr oft die eigentlich gleichen Tätigkeiten: Kunden suchen in Tabelle A, Adressinformationen kopieren, Adressinformationen einfügen in Tabelle B an der richtigen Stelle. Eine solche Arbeit könnte theoretisch so ziemlich jeder durchführen, ohne wirkliche Anforderungen an Mindest-IQ. Eben deswegen werden solche Arbeiten auch MonkeyWork (Affenarbeit) genannt.
Stellt euch weiter vor, ihr habt nebenbei ein Tool laufen, welches eure Arbeitsschritte von oben beobachtet und nach einigen Durchläufen die Arbeit für euch übernehmen könnte. Da das Tool nicht an Ermüdung leidet, keine Pausen braucht und arbeitet, solang ihr den PC angeschaltet lasst, ist es dabei sehr viel effizienter als ihr. Gleichzeitig kann es die gleiche Arbeit sehr viel schneller, weil es nicht wie ihr durch Fenster und Reiter navigieren muss.
Klingt ein bisschen wie "Makro aufzeichnen" der Office-Programme? Und genau das ist es. RPA-Technologien setzen darauf, einfache, wiederholbare Vorgänge zu automatisieren. Und dadurch Aufwände für MonkeyWork sowie Fehlerpotential durch manuelle Bearbeitung drastisch zu reduzieren. Dabei sind die Einsatzgebiete überaus vielfältig und reichen weiter als reine Copy&Paste-Tätigkeiten. Man kann RPA-Einsatzgebiete grob in folgende Kategorien einteilen:
Frontend-Automationen:
Datenverteilung: Innerhalb eines solo bedienten GUI (graphical user interface) erfasste Daten werden mittels Bots als Backend-Prozess in Kern-Systeme (meist CRM oder ERP) geschrieben
Datenbündelung: Daten und Informationen aus mehreren System werden durch Bots in einem unified interface automatisiert zusammengetragen, durch die der Anwender anderen Falls hätte separat navigieren müssen
Backoffice-Automation:
Dunkelverarbeitung: Logisch vorstrukturierte Daten werden durch Bots automatisiert in Systeme eingearbeitet, ohne dass Back-Office Aufwände durch menschliches Zutun anfallen
Dunkelrecherche: stark verteilte oder unstrukturierte Informationen werden automatisiert von Bots zusammengetragen, um strukturierte Datensätze zu erhalten (geläufiges Beispiel: Crawler)
Wann macht RPA Sinn?
Es gilt das Gesetz der großen Zahl. Wenn viele gleiche Vorgänge regelmäßig durch eine große Anzahl Anwender durchgeführt werden, macht eine genaue Analyse Sinn. Denn fast jeder langjährig etablierte Prozess besitzt Optimierungspotential, aber nicht immer ist RPA die passendste Antwort.
Gründe dafür, warum Robotic Process Automation notwendig sein kann, sind vielfältig. Die Punkte, an denen eine derartige Automatisierung zum Einsatz kommt, sind aber stets gleich: notwendige Datenübergaben zwischen spezialisierten Informationssystemen.
In einer idealen Welt werden derartige Informationen zwischen System über Schnittstellen wie APIs oder Webservices ausgetauscht. Leider existieren diese nicht immer, sei es, weil es sich um Fremd-Systeme (meist Auftraggeber-Systeme), mindestens ein beteiligtes veraltetes System, in das nicht weiter investiert werden soll, oder sogar beides handelt.
Folgende Punkte sind Indizien dafür, dass ein genauerer Blick auf Automations-Optionen Einsparpotentiale aufdecken kann:
hohe personelle Aufwände für Recherche, Verarbeitung oder Erfassung von Daten
hohe Anzahl sich wiederholender, manueller Abläufe mit mehr als einem involvierten System
hohe Nacharbeits- oder Backoffice-Aufwände
mindestens ein involviertes System bietet keine passenden Schnittstellen und diese lassen sich aus Kostensicht nicht aufsetzen
Witziger SideFact:
Gehen wir nochmal zurück zu den Affen: 2003 versuchte sich der Zoo Devon, Großbritannien an einem Realexperiment mit 6 Makakis. Sein Ziel war es, das Infinite-Monkey-Theorem etwas genauer zu verifizieren, in dem die kleinen Äffchen tatsächlich an der Tastatur eines Computers "arbeiten" durften. Das Ergebnis waren 5 Seiten, die hauptsächlich aus dem Buchstaben S bestanden. Der Grund dafür wurde nicht aufgeklärt. Das Experiment musste kurzfristig wieder abgebrochen werden, weil die Affen auf die Tastatur uriniert und den Computer zerstört hatten.
Ich hoffe, ihr hattet Unterhaltung und Information zugleich.
So long...
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