Das Problem: eine lösungsorientierte Definition
- Christoph Sander
- 16. Dez. 2019
- 4 Min. Lesezeit
Auf die konkrete Frage, ob Trump in der heutigen Zeit (2019) ein Problem sei, wird der Großteil der Leser vermutlich spontan mit ja antworten. Aber wie genau fassen wir ein Problem auf, damit wir zu dem Schluss kommen, Trump stelle eines dar?
Greifen wir zunächst vor: Trump ist kein Problem perse. Denn allgemeingültige, generelle Probleme existieren nicht, sie entstehen erst im Moment der Betrachtung und abhängig von der Perspektive des einzelnen Betrachters. Was heute noch ein Problem darstellt, kann bereits morgen die Lösung sein, und was für den Einen eine schlechte Ausgangslage darstellt ist für den Anderen die Komfortzone. Wenn Probleme also derart individuell sind, was sorgt dann für die Wahrnehmung, Trump stelle ein Problem dar?

„Houston, wir haben ein Problem.“
Das Problem mit dem Problem ist, dass keine generelle Definition des Begriffs existiert und er in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlich interpretiert wird. Für Projekte beispielsweise gelten sämtliche Tasks als zu lösende Probleme, an anderer Stelle werden sie als etwas, das „Ärger macht“ oder unbeantwortete Fragen beschrieben. In den Naturwissenschaften sind Probleme eben das, Fragestellungen, zu denen die Antwort erst noch gefunden werden muss.
Finden wir also zunächst eine allgemeingültige Beschreibung des Begriffs Problem.
Immer dann, wenn SOLL- und IST-Zustand voneinander abweichen, reden wir von einem Problem. Bei Fragen wäre der Sollzustand also das Vorhandensein einer Antwort. Bei n Variablen, in denen sich diese beiden Zustände unterscheiden, ist ein Problem also der Abstand zweier Punkte im n-dimensionalen Raum. Im Zusammenhang mit Transformation werden wir später darauf zu sprechen kommen, dass die Dimensionalität dieses Raumes durchaus auch höher als n sein kann, auch wenn sich die Zustände nur in 2 Dimensionen unterscheiden. Für den Einstieg soll uns diese Definition aber genügen.
Zur Visualisierung nutzen wir nun ein in der Wirtschaft immer wiederkehrendes Beispiel, welches sich leicht in 2 Dimensionen abbilden lässt. Das gute, alte Time & Budget. Üblicher Weise sehen Zusammenhänge bei Time & Budget Problemen wie folgt aus:

Es besteht also eine direkte Abhängigkeit der beiden Variablen Zeit (t) und Budget (€), in diesem Fall reziprok proportional. Und es wird sofort ersichtlich, dass zur Lösung eines t-Problems (geringere Time-to-Market beispielsweise) immer auch die Variable € geändert werden muss. Die mathematische Beschreibung eines derartigen Problems ohne weitere Faktoren wäre also:

Nun sind zeitliche Herausforderungen auf der anderen Seite häufig mit Gewinnen bzw. deren Ausbleiben verbunden. Beispielsweise kann die Verzögerung eines Produkt-Launches (also der Markteinführung) mit entsprechenden Umsatzeinbußen einhergehen, die in Abhängigkeit von t prognostiziert werden können. In solchen Fällen lässt sich ein Time & Budget Problem also beschreiben durch die Abbildung einer einzigen Zahl mit einem €-Zeichen dahinter. Beschreibt U(t) den Umsatz bei Einführung zum Zeitpunkt t, ergibt sich:

Im wirtschaftlichen Kontext lassen sich fast alle Probleme irgendwie überführen in ein Preisschild, also einen Geldbetrag, der das bestehende Problem beziffert. Dieses Preisschild drückt aus, welchen Verlust (sei es durch Kosten oder ausbleibende Gewinne) das jeweilige Unternehmen dafür hinnehmen muss, dass der IST-Zustand nicht dem SOLL-Zustand entspricht.
Soweit so gut. Denn zumindest wissen wir jetzt, dass ein konkretes Problem nicht existieren kann, wenn es keinen definierten SOLL-Zustand gibt. Eine singuläre Situation kann dementsprechend kein Problem darstellen, definiert sich dieses doch über 2 voneinander verschiedene Zustände. Was allerdings sehr wohl ein Problem darstellen kann, ist das Fehlen eines SOLL-Zustands. Also die fehlende Idee, mit einer Situation umzugehen. Zugegebener Maßen ein kleiner, aber ein für die weitere Definition relevanter Unterschied.
Das interessante an dieser Definition ist die Tatsache, dass sich ein Problem abstrahieren und in viele kleine Lösungswege separieren lässt. Die schrittweise Annäherung an den SOLL-Zustand, also an das gelöste Problem, kann vorherberechnet und prognostiziert werden. Und es kann dazu kommen, dass Punkte auf dem Weg zur Lösung bei rein wirtschaftlicher Betrachtung nicht als Einzelschritt in Frage gekommen wären, obwohl sie den einzigen Pfad zur Erreichung des Ziels darstellen.
Gleichzeitig, und das ist ja das eigentliche Ziel, wird durch diese Weise der Definition das Problem immer direkt mit seiner Lösung verknüpft. In teilweise verkopften Zeiten wie diesen, in denen es Menschen gibt, die Arbeit und Veränderung automatisch mit einem Problem gleichsetzen, kann die Diskussion auf einer solch abstrakten Ebene manchmal doch noch beflügelnd werden.
Und was war jetzt mit Trump?
Wie eingangs beschrieben kann ein Problem erst im Auge des Betrachters entstehen. Insbesondere wenn unterschiedliche Interessenlagen (also gruppenweise verschiedene SOLL-Zustände) existieren, kann nicht mehr von einem generellen Problem die Rede sein. Basierend auf einem einzelnen IST-Zustand herrschen also je nach Betrachter unterschiedliche Probleme, oder aber eben keines.
Und genau hier kommen wir zu Trump. Denn fast die Hälfte der US-Amerikaner (das muss an dieser Stelle mit Betonung auf FAST nochmal deutlich erwähnt werden!!!) hat den derzeitigen Präsidenten gewählt. Dass dieser die Geschicke des Landes so lenkt, wie er das eben tut oder nicht tut, ist für einen kleinen Teil der Menschheit also der gewünschte SOLL-Zustand. Dass seine Handlungen gleichzeitig dazu beitragen, dass sich der IST-Zustand bei einem größeren Teil der Weltbevölkerung vom gewünschten SOLL-Zustand entfernt, ist erstmal kein Problem, sondern lediglich eine Zustandsänderung. Das Problem entsteht, wenn andere Interessensgruppen weiter an der Erreichung ihres SOLL-Zustandes arbeiten.
PS: Manchmal muss man sich echt wundern, wie es das Trumpeltier schafft, Vasen umzuschmeißen, Scherben aufwischen zu lassen und es gleichzeitig so aussehen zu lassen, als sei alles in bester Ordnung und die Vase strahlender als je zuvor. Bin gespannt, wann das nach hinten losgeht (hatte es eigentlich schon längst erwartet).
So long...
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