Ermittle den richtigen Marketing Mix: Diversifizierung von Werbespendings
- Christoph Sander
- 3. März 2019
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Juni 2019
Ehe ich mich weiter dem Irrgarten-Modell im Marketing widme, werde ich aus aktuellem Anlass auf ein Thema eingehen, zu dem ich vor einigen Tagen eine "Studie" gelesen habe, wie so viele im Netz herumgeistern. Zusammengefasst hat diese Studie mit 2 Nachkommastellen (unglaublich, wieviel Trust das erzeugt!!! *ironie off*) präsentiert, wie viele Touchpoints im Schnitt in welchen Branchen notwendig sind, bis ein Kunde seine Kaufentscheidung fällt. Im Ergebnis wurde eine Anzahl von 6 bis 7 als Gesamtdurchschnitt "wissenschaftlich ermittelt". Bei weiterer Recherche bin ich aber auch auf andere Beiträge gestoßen, die von bis zu 20 notwendigen Touchpoints innerhalb einer Customer Journey sprechen.
Die Frage, wie die eigenen Werbeausgaben sinnvoll verteilt werden können, bleibt nicht nur unbeantwortet. Vielmehr verführen oben genannte Beiträge zu Fehlentscheidungen, die im Zweifel erst langfristig spürbar werden. Wie aber kann man nun den budgetären Marketingmix für sein eigenes Unternehmen mit einfachen Methoden und Beobachtungen ermitteln?
Nehmen wir all diese Pseudo-Studien und Artikel mal nicht ganz so ernst, was einem ob ihrer Widersprüchlichkeit auch denkbar leicht fällt, und zäumen das Pferd von hinten auf. Was wir mit Sicherheit sagen können ist, dass nur die wenigsten Verbraucher direkt beim ersten Kontakt mit einer Marke oder einem Produkt zu Käufern/Kunden werden. Gleichzeitig können wir davon ausgehen, dass die Marketing-Entscheider der Unternehmen ihr Handwerk grundsätzlich verstehen und ihre Werbespendings derart verteilen, dass am Ende des Tages aus minimalem Budget ein Maximum an Kunden generiert wird.
Setzen wir diese beiden Punkte voraus und nehmen darüber hinaus an, dass den Entwicklungen im Werbemarkt eine gewisse Schwarmintelligenz der Werbetreibenden zu Grunde liegt. Wohl wissend, dass konservative, risikoaverse Entscheidungen zu einer Verzögerung zwischen entstehenden Bedürfnissen der Verbraucher und abgeleiteten Reaktionen am Werbemarkt bedeuten können. Diese Informationen genügen, um zu erkennen, dass die Entwicklung der Gesamtverteilung von Werbeinvestitionen ein Spiegelbild dessen ist, was Verbraucher benötigen, um zu Kunden bzw. Käufern entwickelt werden zu können.
Werbemarkt als Spiegel der Verbraucher-Bedürfnisse

In der obigen Abbildung habe ich dazu einige Zahlen zusammengetragen, die rudimentär erahnen lassen, wo die Reise hinsichtlich verfügbarer Touchpoints hinführt und wie sich die Verteilung in naher Zukunft entwickelt. Leider sind nur Zahlen dazu verfügbar, wie sich Werbespendings hinsichtlich der Werbeträger verhalten, nicht berücksichtigt und deshalb nicht auffindbar sind Investitionen, die Unternehmen in eigenständig realisierte Kundenkontakte stecken. Dazu zählen klassische Marketingmaßnahmen wie physische PoS, Telesales, Postsendungen wie Kataloge und Briefwerbung, eMailing aber auch Chat.
Die fortschreitende Umverteilung der Werbeinvestitionen lässt sich wie eingangs beschrieben zurückführen auf die Adaption des Kaufverhaltens der Verbraucher in Maßnahmen der Werbetreibenden, mit entsprechendem Zeitversatz. Anteilige Reduktion im Bereich der klassischen Werbeträger bedeutet, dass Unternehmen ihre Budgets abziehen und in den Auf- bzw. Ausbau weiterer Touchpoints stecken. Sie tun dies aus der Erkenntnis heraus, dass sie ihre Kundengewinnung so effizienter gestalten können, also einen höheren Marketing-ROI oder ROMI (Return on Marketing Invest) erzielen.
Umkehrschluss Verbraucherverhalten
Interpretieren wir diesen kausalen Zusammenhang nun Richtung Verbraucher, kommen wir zu dem Ergebnis, dass die steigenden Möglichkeiten an Informationsquellen (und auch Werbung ist zweckgebundene Information) dazu führen, dass in gleichem Maße die Anforderungen daran steigen, wie dieser Verbraucher zu Angeboten der Werbetreibenden abgeholt werden will. Es genügt eben nicht mehr, 20 Mal einen Spot im linearen TV zu sehen, um das Beworbene dann im physischen Store zu kaufen.
Wenn die Gesamtmenge an Marketing-Entscheidern ihr Budget also umverteilt, können wir davon ausgehen, dass sie dies tut, weil Kunden dadurch kosteneffizienter dort abholt werden können, wo sie abgeholt werden möchten. Wir müssen dazu nicht wissen, welche und wie viele Touchpoints ein einzelner Kunde im Detail zur Kaufentscheidung benötigt hat. Vermutlich ist die tatsächliche Customer Journey derart individuell, dass Pauschalisierungen zu Fehlentscheidungen führen. Dafür muss man sich nur vor Augen führen, dass bei lediglich 6 Touchpoints 720 Möglichkeiten bestehen, in welcher Reihenfolge diese durchlaufen werden. Für 7 sind es dann bereits über 5.000. Hier noch mit klassischen Personas zu arbeiten und starre Customer Journeys zu planen schließt diejenigen Verbraucher aus, die einen der 719 (oder 4.999) anderen Wege gewählt hätten.
Bedeutung für Werbetreibende
Um nun Touchpoints auszusteuern und budgetär zu planen, lohnt es sich, einerseits einen genaueren Blick auf die aktuellen Kunden zu werfen und andererseits gut zu beobachten, wie sich der Werbemarkt generell entwickelt, wie sich also nationale oder internationale Werbespendings verteilen.
Wir wissen bereits, dass wir mehr als nur einen Touchpoint zur Kundenakquise benötigen, für die weitere, dynamische Planung. Mehr ist nicht nötig, sich zur Ausgestaltung der eigenen Touchpoints Gedanken zu machen und anhand der beiden Beobachtungen passend Budgets einzuplanen.

Die Abbildung listet vereinfacht verfügbare Touchpoints auf, ist aber bei weitem nicht umfassend und genügend differenziert. Viele Touchpoints, die für das ein oder andere Unternehmen relevant sein können, sind nicht aufgeführt, weil es den Rahmen sprengen würde, ohne zusätzliche Erkenntnis zu bringen. Zu den fehlenden Auflistungen gehören unter anderem Messen und Events, weitere Plattformbetreiber, out-of-home aber auch Blogs und Podcasts. Darüber hinaus macht es je nach Unternehmen Sinn, einzelne Touchpoints weiter aufzugliedern, weil diese beispielsweise gleichzeitig zum Produktabverkauf, Brand-Marketing und als Kundenbindungsprogramm genutzt werden.
Dem aufmerksamen Betrachter wird aufgefallen sein, dass ich eine Unterscheidung zwischen dem Webauftritt und Search vorgenommen habe. Der Grund ist nicht etwa, dass die beiden inhaltlich voneinander getrennt werden sollten. Vielmehr schärft die Trennung der beiden das Verständnis dafür, wo in welchen Situationen investiert werden muss. Dazu unten mehr anhand eines Beispiels.
Der eigentliche Clou an der Matrix ist jedoch die Darstellung der Funktionalität einzelner Touchpoints. Bei der einer Planung vorausgehenden Analyse, wird der Marketingverantwortliche schnell darauf stoßen, wo das Unternehmen seine aktuellen Baustellen hat. Werden beispielsweise monatlich bereits 1.000.000 Interaktionen realisiert allerdings nur 10 neue Kunden gewonnen, wird man vermutlich nicht in Touchpoints investieren, die zwar initiale Kontakte realisieren können, aber nicht in der Lage sind, diese gewonnen Leads in Kunden zu konvertieren. Anders verhält es sich, wenn die kanalübergreifenden Conversion Rates bereits zufriedenstellend sind und es an Masse fehlt, um diesen performanten Apparat zu betanken.
Touchpoint Management am Beispiel "Brand 0815"
Der Marketer der Brand 0815 (Name frei erfunden) hat sich mit seinem Team ausführlich diverse Personas für die jeweiligen Zielgruppen überlegt und daraus die Organisation der Touchpoints abgeleitet. Entstanden ist ein wie in der Abbildung beschriebenes Bild.
Nun steht er jede Woche erneut vor der Herausforderung, dass die Videos zwar eine unglaublich große Followerschaft generieren, allerdings zu wenige der Follower in Kunden überführt werden können. Als Problemkind haben die Marketer Max Muster identifiziert, der einen nahezu 100% fit mit der Zielgruppe hat. Laut Persona nutzen 55% dieser Zielgruppe Facebook und lesen regelmäßig ihre Mails. Max Muster aber, für den Brand 0815 einen aktuellen Pain lösen könnte, nutzt wie weitere 25% dieser Zielgruppe kein Facebook und weigert sich generell, seinen OptIn für eMail zu erteilen. Auch wenn er die Video-Inhalte interessant findet, wird er sich nur schwer zu einem Kunden entwickeln lassen, wenn nicht auch für ihn alternative Lösungen gefunden werden, die Customer Journey nicht abbrechen zu lassen.
Nach genauer Betrachtung von Max Muster und seinen Equals beschließt der Marketer von Brand 0815, eine genauere Analyse durchzuführen, auf welchen Plattformen sich die Youtube-Follower sonst noch herumtreiben und mit welchen Kanälen sie sich erreichen ließen. Im Ergebnis wird nun in den Videos LinkedIn Account für weitere Informationen verwiesen und Brand 0815 freut sich über viele neue Kunden namens Max Muster.
Fazit
Eingangs eingeleitet mit einer dieser Pseudo-Studien, die vermeintlich neue Weisheiten über die Kunden und ihr GENAUES Verhalten mit sich bringen, sind wir nun zum Schluss gekommen, dass sowohl die Betrachtung des Marktes als auch der vorhandenen Follower-/Kundschaft weit mehr Erkenntnisse für den Marketer enthält, als eine pauschal gefällte Aussage zum Durchschnitt, die dazu noch fragwürdig viele Widersprüche zu anderen Quellen aufweist.
Gleichzeitig möchte ich nochmal deutlich erwähnen, dass das korrekte Management von Touchpoints sich weder an starre Personas noch an starre Budgetverteilungen koppeln lässt. Die Aussteuerung muss stets zweckgerichtet sein. Leads zu generieren, um sich über schiere Masse an Interaktionen zu erfreuen macht wirtschaftlich ebenso wenig Sinn, wie Mittel in die Optimierung von Conversion fokussierten Touchpoints zu stecken, wenn es am Anfang des Sales Funnels an Leads fehlt.
Ich hoffe, der Beitrag war informativ und unterhaltend
So long...
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