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Enthropie und Gleichgewicht: warum Strategie und Ziele dauerhafte Kontrolle benötigen

  • Autorenbild: Christoph Sander
    Christoph Sander
  • 10. Feb. 2020
  • 4 Min. Lesezeit

So manch einer der Leser wird sich jetzt fragen, was denn eigentlich naturwissenschaftliche Phänomene mit Führung und Strategie im Business Kontext zu tun haben sollen. Ich nehme eins vorweg: wer sich dem Zusammenspiel zwischen Enthropie und natürlichem Gleichgewicht im Klaren ist, kann Tempo, Druck oder zielgerichtete Projekte bewusster steuern. Es macht daher insbesondere für Großunternehmen mit viel Handlungsspielraum bei Mitarbeitern (keine “Fließbandarbeit“) Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, welche Wirkung persönliche Interessen der Mitarbeiter auf die Unternehmensentwicklung haben. Und wie sich diese Interessen bewusst und zielgerichtet nutzen lassen, um Unternehmensziele schneller und mit weniger innerem Widerstand zu erreichen. Zweiteres wird in den Folge-Beiträgen behandelt.


Enthropie und natürliches Chaos


Kommen wir zunächst zur naturwissenschaftlichen Erklärung der Enthropie. Sie beschreibt eines der fundamentalen Grundgesetze der Physik: in einem abgeschlossenen System, also ohne äußere Einflüsse, wird sich der Grad der Unordnung in eben diesem System stets nur erhöhen, der Grad der Ordnung entsprechend reduzieren. Der chaotische Zustand, also die maximale Unordnung entspricht demnach dem absoluten Gleichgewichstzustand des Systems. Am einfachsten lässt sich das Phänomen der Enthropie am Effekt der Diffusion bildlich erklären:

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Die Abbildung zeigt, wie sich frei bewegliche Teilchen (grüne und blaue Punkte) aus zwei getrennten Räumen vermischen, sobald die Trennwand (rot) entfernt wird. Im linken Teil der Abbildung unterliegen die beiden Farben noch einer gewissen Ordnung, im rechten Teil haben Sie sich ihrem natürlichen Gleichgewicht bereits stark angenähert.


Transfer auf Business Kontext


Wie in den Blog-Themen-Bereichen Marketing und Probleme bereits mehrfach thematisiert, verhalten sich einzelne Menschen aufgrund emotionsgesteuerter Entscheidungen häufig unvorhersehbar, in Masse gar chaotisch dafür aber planbar. Das gilt ebenfalls für Ihre persönlichen Ziele, welche von Lebenssituation, Ehrgeiz oder nicht, Verantwortungswille, Interessen und dergleichen abhängen. Dabei können sich widersprechende Ziele ergeben, beispielsweise wenn mehrere Personen die selbe Führungsposition anstreben. Aber eben auch Ziele, die außerhalb des Maßnahmen-Raums des Unternehmens liegen.


Die folgende Abbildung zeigt diesen statischen Zustand, der übrigens ebenfalls verwendet werden könnte, um Gasdruck zu beschreiben. Die wirkenden Mechanismen sind an dieser Stelle identisch.

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Die roten Pfeile beschreiben dabei den Entwicklungsweg von Personen/Mitarbeitern, deren Ziele außerhalb des Maßnahmen-Raums des Unternehmens liegen. Ein Beispiel dafür kann der Wunsch eines Mitarbeiters sein, sich dem Thema KI zu widmen, obwohl es dafür im derzeitigen Zustand des Unternehmens keinen Raum gibt. Oder die Tatsache, dass für einen Bereich Budgets geplant werden, die sich nicht mit den Zielen der betroffenen Bereichsleitung decken.


Generell gilt jedoch: je größer der Handlungs-/Entwicklungs-Spielraum der Mitarbeiter, um so größer wird dieser Raum und umso geringer der “von innen erzeugte Druck“. Der Anteil roter Pfeile wird entsprechend geringer. Klingt ja erstmal super.


Warum muss dieser Effekt in Transformationsphasen gesteuert werden?


Im oben beschriebenen, statischen Zustand hat es nun den Anschein, als sei alles fein, solang man den Mitarbeitern freien Raum lässt. Reduziert dies doch den Anteil von Entwicklungszielen, die außerhalb dessen liegen, was für den IST-Zustand gewollt ist. Nun befinden sich Unternehmen stets im Wandel, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Bedeutet, dass Entwicklungsziele formuliert werden müssen, die außerhalb des IST-Zustands liegen. Folgende Abbildung zeigt, welche Auswirkung diese Tatsache nun auf die Interpretation hat, welcher Mitarbeiter „im Sinne des Unternehmens“ agiert:

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Sämtliche grünen Pfeile stellen nun Mitarbeiter dar, deren Entwicklungsziele hinsichtlich der Richtung zumindest in Teilen Deckung mit den Entwicklungszielen des Unternehmens aufweisen. Im mathematischen Sinne ist der SOLL-Zustand des Mitarbeiters (Pfeilende kleine Pfeile) näher am SOLL-Zustand oder der Vision des Unternehmens (gestrichelter Kreis) als der IST-Zustand des Mitarbeiters (Pfeilanfang kleine Pfeile). Siehe dazu auch die Definitionen in Themen-Bereich Problem.


3 Effekte sind sofort ersichtlich:

  1. Der Anteil an Mitarbeitern, die “nicht im Sinne des Unternehmens“ agieren, steigt drastisch (nicht eingekreiste Pfeile)

  2. vorher nicht aufgeführte Mitarbeiter ohne Entwicklungsziele (ja, sowas soll es auch geben) agieren nun gegen das Entwicklungsziel des Unternehmens, da sich ihr gewünschter Zustand vom SOLL-Zustand des Unternehmens entfernt

  3. Mitarbeiter, die vorher als Störfaktoren oder Druckerzeuger interpretiert werden mussten, sind nun Supporter bei der Erreichung der Unternehmensziele (grün eingekreiste, rote Pfeile)


Wirkung auf Steuerungs- und Kontroll-Bedarf


Wie eingangs beschrieben ist der in Abbildung 2 gezeigte, chaotische Zustand eben derjenige, der sich ohne äußere Einflüsse in jedem abgeschlossenen System einstellt. Es Bedarf also bereits im statischen Zustand einer permanenten Steuerung, welche häufig durch Leitbilder oder Unternehemsphilosophien den Handlungsspielraum mehr oder weniger klar abgrenzt. Standardmäßige Kontrollmechanismen wie Revisionen oder dergleichen stellen sicher, dass Abteilungen und Bereiche stets innerhalb der für sie geltenden Grenzen agieren.


In Transformations- bzw. Change-Phasen genügen eben diese Standard-Mechanismen nur noch sehr bedingt. Wie weiter oben aufgezeigt steigt der innere Widerstand in Zeiten der Zustandsänderung immens und die Rollen, die einzelne Mitarbeiter oder Abteilungen in diesem Change spielen können, muss neu interpretiert werden. Die Kontrolle muss sich also nach Indikatoren richten, die den Zielzustand klar beschreiben, dabei aber nicht ausschließlich die Performance betreffen. Es Bedarf also Zielerreichungsmessungen, die zunächst nichts mit Vertriebs-, Service- oder Umsatzzielen zu tun haben. Die Entwicklung zu steuern steigert dabei den Anteil an Führungsaufgaben des oberen Managements und reduziert zwangsweise den Anteil an Managementaufgaben. Auf den Unterschied gehen wir an anderer Stelle des Blogs nochmal ein.


Um bewerten zu können, welche Unternehmens-Einheiten dem SOLL-Zustand wie nahe gekommen sind, ist es daher unabdingbar, messbare Kriterien zu finden, die den Unterschied zwischen SOLL- und IST-Zustand beschreiben (siehe dazu auch Themen-Bereich Problem). Den Führungskräften in den jeweiligen Einheiten kommt dann die Aufgabe zu, die Entwicklungsanforderungen an einzelne Mitarbeiter herauszuarbeiten und klar zu kommunizieren, sowie durch geeignete Maßnahmen an der Erreichung des SOLL-Zustands zu arbeiten.


Zugegebener Maßen keine leichte Aufgabe, weil sie über das klassische Mikromanagement hinausgeht. Sie erfordert es, eine andere Perspektive einzunehmen. In Transformationsphasen ist es nicht mehr die Aufgabe der Führungsperson sicherzustellen, dass die Dinge richtig gemacht werden (Mikromanagement), sondern vielmehr dafür Sorge zu tragen, dass die richtigen Dinge getan werden (Makromanagement). Diese beiden Perspektiven unterscheiden sich bisweilen drastisch.


So long...

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